Wolfsburger Erklärung

 Frauen in die Politik   von

der kommunalen Frauen - und Gleichstellungsbeauftragten anlässlich der 24. Bundeskonferenz im Mai 2017

„Take 5“ für eine lebenswerte Kommune

Städte, Gemeinden und Landkreise müssen sich für die Menschen, deren Alltag sie mitgestalten, zukunftsfest aufstellen. Zu den großen Herausforderungen, die zu meistern sind, gehören die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt sowie die Globalisierung mit ihren unterschiedlichen Folgen für die Lebenswirklichkeit von Frauen*, Männern* und Familien. Hierzu zählen auch die zunehmenden neo-konservativen und rechtspopulistischen Strömungen, die Integration und Vielfalt der Gesellschaft und den Wert von Gleichberechtigung und Emanzipation in Frage stellen. Dies erfordert von den Kommunen klare Positionen und aktive Steuerung. Kommunen brauchen den gemeinsamen Einsatz für ein gleichberechtigtes und freiheitliches Miteinander, das unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen und damit unserer Gesellschaft eine lebenswerte Zukunft sichert.

Die Bundeskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen (BAG) stellt fest, dass eine konsistente und zukunftsweisende Gleichstellungspolitik und ihre tatsächliche Umsetzung in allen gesellschaftlichen Bereichen dafür unverzichtbar sind.

1 Gleichberechtigte Zukunft in der Arbeitswelt

Kommunen mit Zukunft gestalten die Entwicklung eines Arbeitsmarktes mit, der sich sowohl durch Entgeltgleichheit und Vermeidung von (Alters)Armut auszeichnet als auch durch eine gendersensible Integration von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Die Chancen der Digitalisierung werden genutzt für ein neues Verständnis von Arbeitsorganisation und um einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und diesen damit zukunftsfest zu machen.

Als Grundlage für eine gerechte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben sind diese (gesetzlichen) Entscheidungen und Maßnahmen dringend erforderlich:

  • Verbesserung der Kinderbetreuungsangebote in Quantität und Qualität, insbesondere im ländlichen Raum.
  • Abschaffung des Ehegattensplittings.
  • Abschaffung der Minijobs und eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro.
  • Lohntransparenz auch in Unternehmen unter 200 Beschäftigen.
  • mehr Gerechtigkeit im Rentensystem (u.a. durch Anerkennung der Pflege und Sorgearbeit).
  • Regelungen zur beruflichen Karriereförderung von Frauen.
  • Verankerung einer Vielfalt von Arbeits(zeit)modellen, die Menschen mit Sorgeaufgaben in ihrem Alltag unterstützen.
  • Berücksichtigung der Chancen und Risiken der Veränderungen der Arbeitswelt und ihrer Auswirkungen auf die
  • Gleichberechtigung der Geschlechter bei allen Gesetzen.
  • Finanzielle Aufwertung von Berufen, in denen überwiegend Frauen tätig sind.

2 Zukunft für alle - (Entfaltungs)Freiheit und Sicherheit garantieren

Kommunen mit Zukunft profitieren von gesetzlichen Regelungen, die der sexualisierten Gewalt vor allem gegen Frauen und Mädchen und gegen Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen Einhalt gebietet. Sie sichern den wirksamen Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt und tragen aktiv zur Prävention bei. Dafür stehen den Kommunen personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Bedarfe besonders schutzbedürftiger Gruppen, wie geflüchteter Frauen, werden berücksichtigt.
Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht verhandelbar ist. Gleichstellung ist in allen (kommunal)politischen Handlungsfeldern verankert und garantiert, dass Frauen ihre Potentiale frei entfalten und sicher leben können.

Wichtige politische Maßnahmen zur Umsetzung sind u.a.:

  • Die bestehende Beratungs- und Hilfeinfrastruktur für von Gewalt betroffene Frauen ist strukturell und finanziell so auszustatten, dass sie arbeitsfähig ist, ohne selbst Beschäftigte auszubeuten und neue Aufgaben (z.B. Arbeit mit geflüchteten Frauen) flexibel bewältigen kann.
  • Eine bundesgesetzliche Rahmenregelung für die Finanzierung der Frauenhäuser und Hilfeeinrichtungen ist unverzichtbar.
  • Qualifizierte Täterarbeit ist aus- bzw. aufzubauen.
  • Das reformierte Sexualstrafrecht muss konsequent angewandt und in seiner Wirksamkeit geprüft werden.
  • Dem allgegenwärtigen (medialen) Sexismus in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Raum ist entschieden entgegenzutreten.
  • Der Schutz vor Zwangsheirat und der Schutz für Minderjährige, die in ihrem Herkunftsland verheiratet wurden, sind zu gewährleisten.

3 Verbundene Leben - Zukunft der Familienpolitik

Kommunen mit Zukunft unterstützen aktiv die Verantwortung und Sorge der Menschen füreinander in ihren unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Sie setzen auf Kinderbetreuungsangebote, die vielfältige Formen von Arbeit und Lebensmodelle unterstützen, flexible und vielfältige Arbeitszeiten abdecken und kostenfrei für alle sind. Elterngeld, das partnerschaftliche Familienarbeit ermöglicht und bessere finanzielle bzw. strukturelle Rahmenbedingungen und die Anerkennung für Pflege- und Sorgearbeit bilden die Grundlage.

Voraussetzung dafür ist ein wirksamer Ausbau der bundes- und landesrechtlichen Regelungen im Bereich Pflege.

  • Der besonderen Lebenssituation allein Erziehender ist systematisch Rechnung zu tragen.
  • Die Kommunen selbst müssen in ihrer Vorbildfunktion als Arbeitgeberinnen dabei mit dem Angebot von flexiblen Arbeitszeiten, Telearbeit, mobiler Arbeit, Home Office- Vereinbarungen alle Möglichkeiten ausschöpfen, Beschäftigte mit Sorge - Aufgaben ohne Nachteile im eigenen Karriereverlauf in den entsprechenden Phasen ihres Lebens zu unterstützen.

4 Gleichberechtigte Partizipation- Zukunft mitgestalten

Kommunen mit Zukunft verwirklichen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in allen politischen Entscheidungsgremien. Damit werden die Sichtweisen und Potentiale von Frauen ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend wirksam und Kommunen erfolgreich.

Notwendige Voraussetzung dafür sind eindeutige und sanktionierbare gesetzliche Regelungen:

  • Ein neues Wahlgesetz, das Parität befördert,
  • Quotierung in allen entscheidenden politischen und wirtschaftlichen Gremien
  • Landesgleichstellungsgesetze in allen Bundesländern, die die Quotierung auch in kommunalen Gremien vorschreiben.

5 Zukunft leben nur mit Gleichstellung

Kommunen mit Zukunft treiben in ihrem strategischen Handeln das Thema „Gleichstellung“ bewusst kontinuierlich und zielorientiert voran. Die vielfältigen Herausforderungen einer künftigen Gesellschaft sind nur zu meistern, wenn ein klarer Genderblick selbstverständlich und handlungsleitend ist. Alle kommunalpolitischen Entscheidungen werden in ihrer Bedeutung für die Lebenswirklichkeit von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen bewertet und damit zielgruppengerecht ausgestaltet. Damit werden eine passgenaue Daseinsvorsorge, ein schonender Umgang mit den kommunalen Ressourcen und ein faires und vielfältiges gesellschaftliches Miteinander verwirklicht.

Voraussetzung dafür:

  • ist hauptamtliche kommunale Gleichstellungsarbeit in allen Kommunen.
  • Die Ausstattung mit ausreichenden Ressourcen und Rechten ist zu gewährleisten, um kommunale Entscheidungen auf der
  • Planungs- und Managementebene zielgerichtet beraten und begleiten zu können.
  • Bundesweite einheitliche Standards für die Gleichstellungspolitik in den Kommunen sind zu schaffen.

Wolfsburg, 09. Mai 2017

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